Wie so oft in der Hundewelt halten sich einige Mythen sehr hartnäckig und werden immer weiterverbreitet und auch praktiziert. So auch die These, dass wenn ein Welpe in sein neues Zuhause zieht, man ihm als Züchter zwingend eine Decke oder Tuch mit dem vertrauten Geruch der Mutter und Geschwister mitgeben muss. Sodass der Zwerg etwas hat, was er schon kennt und was ihm Sicherheit und Geborgenheit vermittelt.
Aber was ist dran? Was macht es mit dem Welpen wirklich?
In den ersten Jahren meiner Zucht schwamm ich in diesen Strom mit, denn jeder gute Züchter gab den Welpen zum Auszug ein duftendes Erinnerungsstück an das alte Zuhause mit. Also tat ich ohne viel darüber nachzudenken, allen anderen gleich. Stapelweise hatte ich kleine Deckchen und Tücher mit dem Namen des Welpen beschriftet und legte diese immer wieder zu den Welpen und rubbelte die Mama damit ab. Folglich konnten meine Kleinen ein schönes Souvenir mit ins neue Zuhause nehmen.
Bis ich eines Tages im Wartezimmer meines Tierarztes saß, gelangweilt eine Fachzeitschrift durchblätterte und auf einen wissenschaftlichen Artikel stieß, der sich mit diesem Thema auseinandersetzte. Schnell war die Langeweile wie weggeblasen und gespannt las ich Zeile für Zeile, Wort für Wort bis mir schlagartig die Schuppen von den Augen fielen und ich ein riesiges, ungutes Gefühl im Magen verspürte.
Was hatte ich meinen Welpen in den vergangenen Jahren nur zu gemutet? Sind einige aus diesem Grund so schlecht in den neuen Familien angekommen und hatte starkes Heimweh?
Ich versuche hier mal, diesen wissenschaftlichen Kauderwelsch, in eine leichter verständlichere Metapher zu packen.
Wir stellen uns ein Pärchen vor.
Wir nennen die beiden mal Uschi und Horst.
Uschi und Horst besitzen genau 1 Paar Schuhe jeweils (Sommer wie Winter).
Die Schuhe von den Beiden stehen immer am gleichen Ort, wenn sie zuhause sind.
Ohne Ausnahme.
Sind die Schuhe nicht am Platz, sind sie auch nicht zuhause.
Jetzt kommt Uschi eines Tages nachhause und sieht die Schuhe von Horst am gewohnten Platz.
Was wird Uschi wohl denken?
Genau! Sie wird denken, dass Horst auf jeden Fall zuhause ist, sich auf ihn freuen, nach ihm rufen und ihn suchen gehen.
Stellt euch vor wie es Uschi nach einer Weile gehen muss, wenn sie Horst in der kompletten Wohnung einfach nicht finden kann. Immer wieder geht sie zum Platz der Schuhe, vergewissert sich, dass diese dort sind und geht wieder auf die Suche nach ihm.
Jetzt ist es nun mal so, dass wir Menschen unsere Umwelt primär visuell wahrnehmen.
Hunde leben in einer Welt aus Gerüchen.
Jetzt tauschen wir in unserer Geschichte Uschi gegen einen jungen Welpen und Horst´s Schuhe gegen ein Tuch mit dem Geruch der Mutter und Geschwister aus.
Versteht ihr worauf ich hinaus will?
Die Bemühungen dem Welpen den Start im neuen Zuhause so angenehm wie möglich zu machen, können so völlig in die Hose gehen und das Heimweh sogar auslösen und über Tage hinweg aufrechterhalten. Da der Welpe immer wieder mit dem Geruch konfrontiert wird und in der Annahme, dass Mama und Geschwister hier sind, auf die Suche nach diesen geht.
Aus diesem Grund geben wir keine Geruchsdecken mehr zum Auszug mit. Sollte es ein neuer Besitzer ausdrücklich wünschen, kommen wir diesem Wunsch etwas widerwillig nach 😉